Alle Chancen dieser Welt

Österreich, ein kleines neutrales Land im Herzen Europas, mit einem hervorragenden Humankapital, einer vorbildlichen Berufsausbildung, tüchtigen, innovativen Unternehmern, Spitzenbetrieben, die in Nischen oft Weltmarktführer sind – und dennoch ist Österreich in allen Wirtschaftsprognosen, egal ob von der EU, dem Internationalen Währungsfonds oder der OECD, Schlusslicht. Wie kann das sein?

Die Erklärung ist sehr einfach. Wir haben in den letzten Jahren unsere Konkurrenzfähigkeit durch hohe Lohnkosten (Lohnstückkosten und Lohnnebenkosten), hohe Energiepreise und überbordende Bürokratiekosten so verschlechtert, dass wir weltweit seit 2007 vom 11. Platz auf den 26. Platz im Jahr 2025 zurückgefallen sind.

Vergleichbare europäische Länder sind heute im Wettbewerbsranking weltweit unter den Top 10, nämlich der Schweiz, Dänemark, Schweden, Irland und den Niederlanden.

Das sollte uns und der Regierung Mut machen, denn wir haben nach wie vor alle Chancen dieser Welt. Nur müssen wir sie auch nützen – durch radikale Beseitigung von Schwachstellen und Umsetzung längst überfälliger Strukturreformen bei Föderalismus, Gesundheit, Pensionen, Förderungen und Bildung. Wann, wenn nicht jetzt, sollte dies geschehen – noch dazu, wo in den nächsten zwei Jahren keine großen Wahlen stattfinden. Die Angst vor den Wählern – nirgends so deutlich ausgeprägt wie bei den notwendigen Reformen im Pensionsbereich – kann nur durch eine umfassende Kommunikationsstrategie beseitigt werden, die darauf abzielen muss, statt das Populäre zu tun, das Notwendige populär zu machen.

Dieser Satz stammt zwar aus dem 19. Jahrhundert, ist aber nach wie vor dort gültig, wo den Menschen unbequeme oder auf den ersten Blick schwer verständliche Notwendigkeiten so vermittelt werden sollen, dass sie breite Zustimmung finden. Natürlich ist Populismus einfacher, er führt aber in die Irre. Das Notwendige populär zu machen ist natürlich eine ungeheure kommunikative Herausforderung, aber erfolgreich wird die Politik nur dann sein, wenn sie die Menschen bei notwendigen Reformen mitnimmt.

Erste positive Signale hat die Regierung schon gesetzt – z. B. bei der Abschaffung der Bildungskarenz, der Einführung der Teilpension oder der Wiedereinführung der Strompreiskompensation. Auch der neu verhandelte Beamtenabschluss gehört dazu sowie die von den Sozialpartnern rasch beschlossene Vereinbarung unterhalb der Inflationsrate in der Metallindustrie. Diese Beispiele zeigen, dass es geht, wenn der gemeinsame Wille vorhanden ist. Noch muss er aber gewaltig verstärkt werden.

Durchschnitt ist zu wenig, wenn man alle Chancen dieser Welt hat!