Durch die Krisen der letzten Jahre, von der Pandemie über den Ukraine-Krieg, die Inflation und die Klimakrise haben zwei gesellschaftliche Phänomene, die es in Österreich schon immer gab, stark zugenommen, nämlich das Anspruchsdenken und die Neidgesellschaft.
Von Eigenverantwortung und individueller Krisenvorsorge ist weitgehend nichts zu sehen, stattdessen werden ständig Ansprüche an den Staat gestellt. Die Regierung soll möglichst alle negativen Krisenauswirkungen beseitigen bzw. finanziell abgelten. Alles frei nach der von linker Seite seit Jahren propagierten gesellschaftspolitischen Position: Du brauchst dich um nichts zu kümmern, der Staat sorgt für dich vor. Dieses Konzept der Null-Eigenvorsorge hat zu einer weitverbreiteten Vollkasko-Mentalität geführt, auf die der Finanzminister dankenswerterweise schon mehrmals kritisch hingewiesen hat. Denn diese Entwicklung geht zu Lasten der Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder. Schulden sind nichts anderes als verbrauchte Zukunft. Diese Anspruchsmentalität zeigt sich derzeit auch bei der politischen Diskussion um die Pensionsanpassung. Da ist eine knapp 10%ige (!) Pensionserhöhung angekündigt, schon werden aber darüber hinaus weitere Forderungen erhoben.
Überhaupt scheint es derzeit kaum eine Gruppe in der Gesellschaft zu geben, die nicht mehr Geld vom Staat verlangt: Die Länder, die Gemeinden, die Ärzte, das Pflegepersonal, die Schulen und Hochschulen, die Klimaschützer, Wissenschaft und Forschung. Diese Reihe ließe sich beliebig fortsetzten. So wird es aber nicht weitergehen können, wenn wir nicht eines Tages nach Steuern und Abgaben von unserem Einkommen nur noch ein Taschengeld erhalten wollen.
Notwendig wäre jetzt ein Appell, wie ihn schon der amerikanische Präsident John F. Kennedy vor mehr als einem halben Jahrhundert formuliert hat: Frage nicht, was dein Land für dich tun kann – frage was du für dein Land tun kannst. Dies wäre übrigens eine schöne Aufgabe für den Herrn Bundespräsidenten, der sich in letzter Zeit bei Festspieleröffnungen ohnehin gerne mit erhobenem Zeigefinger zu politischen Themen äußert.
Es fehlt derzeit weitgehend eine Stimmung, wie sie noch vor längerer Zeit sogar in einem Schlager zum Ausdruck kam: „Es wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern das Bruttosozialprodukt.“ Stattdessen ist Work-Life-Balance ein Hauptthema.
Wer es aber durch Leistung zu etwas gebracht hat, findet sich mit einer Neidgesellschaft konfrontiert. In der politischen Diskussion zeigt sich dies in zunehmend artikulierten Forderungen von linken Seite nach Enteignungssteuern, vornehm formuliert Vermögenssteuer oder Erbschaftssteuer. Dies obwohl heute schon alles im Zusammenhang mit Eigentum besteuert wird: Das Einkommen zum Erwerb von Eigentum (bis 55%), der Erwerb von Eigentum (Grunderwerbsteuer), der Besitz von Eigentum (Grundsteuer), Eigentumserträge (z.B. Kapitalertragssteuer, Steuer für Vermietung und Verpachtung) und die Veräußerung vom Eigentum (z.B. ImmoESt). All das wird mit Verteilungsgerechtigkeit argumentiert, von Leistungsgerechtigkeit ist nichts zu hören. Ist die Enteignung wirklich ein Hauptziel von Gerechtigkeit?