Strategien gegen Enteignung der Sparer

Die europäische Zentralbank (EZB) macht sich ganz offensichtlich wesentlich mehr Sorgen um die Schuldenländer im Süden Europas, als um ihre eigentliche Aufgabe, nämlich mit der Geldpolitik für Preisstabilität im gemeinsamen Währungsraum zu sorgen. Preisstabilität wird dabei mit rund 2% des BIP definiert. Im Jänner 2022 betrug die Inflation aber 5,1%, so hoch wie noch nie in der europäischen Währungsunion, die Prognose für das gesamte Jahr 2022 beträgt 3,2%.

Natürlich ist die Staatsverschuldung im Süden Europas bedrohlich und liegt exorbitant über dem Maastrichtziel von 60% des BIP, das nach Aussetzung durch Corona ab 2023 wieder gelten soll. Derzeit beträgt aber die Staatsverschuldung in Griechenland 200,7%, in Italien 155,3%, in Portugal 130,5%, in Spanien 121,8% und in Frankreich 116%. Dringend notwendig wären daher in diesen Ländern ausgabenseitige Strukturreformen, stattdessen hilft die EZB mit ihrer Null-Zins-Politik und ständigen milliardenschweren Aufkäufen von Staatsanleihen. Durch diese Politik des lockeren Geldes wird die Inflation noch zusätzlich zu hohen Energiepreisen, Problemen mit den Lieferketten und geopolitischen Unsicherheiten befeuert. Die Gefahr, dass die Inflation gekommen ist, um zu bleiben ist daher bei dieser Politik der EZB evident. Eine verheerende Konsequenz dieser Entwicklung ist die schleichende Enteignung der Sparer und ihrer Guthaben durch die Kombination von Null-Zins-Politik und Preissteigerungen. Diese schleichende Enteignung beträgt zwischen 6 und 7 Mrd. Euro jährlich. Franz Schellhorn von der Agenda Austria nennt dies sehr treffend „eine Vermögenssteuer für jedermann“. Dadurch wird für viele, vor allem auch für jüngere Menschen, das Ansparen auf eine Wohnung oder eine private Altersvorsorge mit traditionellen Sparformen praktisch unmöglich.

Der Schlüssel zu einer wirksamen Bekämpfung der Inflation liegt natürlich bei der EZB mit ihrer Geldpolitik und der Notwenigkeit einer Zinswende. Leider kommen derzeit von der europäischen Politik – obwohl die EZB formal unabhängig ist – Signale in gegenteilige Richtung, nämlich in Richtung Aufweichung des Stabilitätspaktes, wenngleich mit schöneren Worten. So sprechen etwa die Regierungschefs von Frankreich und Italien, Macron und Draghi, unlängst in der Financial Times von der Notwendigkeit, mehr Handlungsspielraum für die Herausforderungen der Zukunft zu haben. Der italienische EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni meinte unlängst in der Presse, es sei mehr Kreativität beim Stabilitätspakt notwendig, etwa um „grüne“ Investitionen zu erleichtern. Nach einem Treffen von Scholz und Draghi schreibt die neue Züricher Zeitung von einer finanzpolitischen Zeitenwende.

Das sind alles keine guten Zukunftsperspektiven für die Sparer. Denn wenn die Staatsschulden – aus welchem Titel immer – weiter zusätzlich steigen, erfordert das zur Rettung der verschuldeten Staaten weiterhin eine lockere Geldpolitik mit null oder negativen Zinsen und die Zeche werden wieder die Sparer zahlen.

Es müssen daher offensichtlich andere Strategien entwickelt werden, um der Enteignung von Sparern entgegenzutreten. Vor allem muss der geradezu absurde Zustand beendet werden, dass viele Milliarden an Spareinlagen praktisch unverzinst in der Landschaft herumliegen und jedes Jahr 6-7 Mrd. Euro verlorengehen, während gleichzeitig den Betrieben das dringend notwendige Eigenkapital fehlt für die Herausforderungen der Zukunft wie Digitalisierung, Ökologisierung, Innovation, Forschung und Investition. Denn nur durch Mobilisierung von privatem Kapital werden die Ziele zu erreichen sein, insbesondere bei den milliardenschweren Investitionen in den Klimaschutz

Dazu sind eine Belebung und Stärkung des Kapitalmarktes notwendig, wie sie auch im Regierungsprogramm vorgesehen ist, aber noch nicht umgesetzt wurde. Denn die Enteignung der Sparer bei den traditionellen Sparformen kann nur durch Finanzanlagen mit höherer Rendite verhindert werden. Erfreulicherweise ist das Interesse der Menschen in Österreich für Aktien und Wertpapiere nach einer jüngst publizierten Studie seit 2016 signifikant gestiegen. Gleichzeitig gibt aber lediglich ein Viertel der Befragten an, sich gut oder eher gut mit Veranlagungen an der Börse auszukennen. Daher muss dringend die immer wieder zuletzt vom Aktienforum und der Industriellenvereinigung geforderte Wirtschafts- und Finanzbildung in den Schullehrplänen endlich umgesetzt werden. Dann wird es auch aufhören, dass in Österreich Aktienkäufer, die der Wirtschaft das dringend notwendige Eigenkapital zur Verfügung stellen von linken Ideologen bzw. Ahnungslosen immer noch als Spekulanten abgetan werden.

Durch die Wiedereinführung der Behaltepflicht bei der Kapitalertragssteuer, die ebenfalls im Regierungsprogramm steht und die Finanzminister Brunner dankenswerter Weise jüngst wieder ins Gespräch gebracht hat würde getrennt werden zwischen jenen, die zum Beispiel längerfristig für Wohnung oder private Altersvorsorge ansparen wollen und jenen die nur auf kurzfristige Spekulationsgewinne aus sind. Der Finanzminister braucht natürlich die Zustimmung des Koalitionspartners dazu, die noch immer aussteht.

Auch die Schaffung eines Investmentfonds für Risikokapital nach österreichischem Recht vor allem für KMU und Start-Ups ist dringend notwendig. Private-Equity-Fonds wie zum Beispiel von Raiffeisen oder der Erste Bank sind eine wichtige Eigeninitiative der Wirtschaft, jedoch wird es ohne umfassende gesetzliche Fundierung nicht gehen.

Schließlich werden auch steuerliche Anreize für längerfristige Finanzanlagen, wenn auch vielleicht zunächst nur eingeschränkt für Altersvorsorge oder Wohnungsbedarf notwendig sein, wenn man die Enteignung der Sparer nachhaltig verhindern will.

Dr. Günter Stummvoll
Sprecher der Initiative Standort